Leseprobe_2 aus “Schachbrettblume”

 

11   Wie siehst du denn „unten“ aus?

Tja, da kommt man unschuldig auf die Welt und dann wird man belogen und betrogen. Dabei wäre es doch wundervoll, könnte man die Unschuld einfach mitnehmen ins Erwachsensein.
Es ist ja mittlerweile bewiesen, dass kleine Kinder, bis sie so etwa drei Jahre alt werden, überhaupt nicht lügen können.
Dann fängt es an, das Lügen, Täuschen und Tarnen.

Na, jedenfalls war auch ich neugierig, wie Jungen denn eigentlich so unten herum aussehen; damals mit gerade einmal fünf Jahren. Und eine sehr gute Gelegenheit hierfür, sich dies einmal bequem anzusehen, bot sich mir auf dem Heuschober nebenan.
Eigentlich kam ja Gregor auf die Idee, sich bei mir alles ganz genau zu betrachten. Ich könne selbstverständlich auch einmal bei ihm hinsehen. Das fand ich schon sehr in Ordnung. Ursprünglich dachte ich, man könne das direkt vor unserem Haus auf unserem Hof machen, wo hingegen Gregor doch der Meinung war, es sei kuscheliger bei ihm im Heuschober oben, über dem Stall. Das fand ich auch nicht schlecht und wir beide gingen Hand in Hand ’mal eben rüber. Es war auch gerade zufälligerweise niemand anderes in der Nähe, was mir damals aber gar nicht aufgefallen war. Wir kletterten also die schmale Holzleiter hoch und gelangten in einen riesig großen Heuschober. Es roch tatsächlich herrlich nach frischem Heu. Die Sonnenstrahlen kamen in dicken Streifen durch die Holzwände des Schobers und wirkten mystisch auf mich. In diesen Lichtstrahlen tanzten winzig kleine Staubteilchen. Aber für mich sahen sie eher aus wie zarter Goldstaub, der langsam ins Heu rieselte.
Irgendwie war man hier oben in einer anderen Welt.
Wir hörten unter uns die Kühe zufrieden vor sich hin muhen. Gregor bereitete mir ein richtiges Bett aus Heu vor und legte mich dann behutsam hin. Dann sagte er:
„Wir spielen jetzt Onkel Doktor.“
Spielen war schon immer mein Ding.
Er untersuchte mich. Dabei fing er mit der Untersuchung am Kopf an. Ohren, Mund und Nase waren gesund. Dann tastete er Brust und Bauch ab, war auch alles bestens. Nun kam unten an die Reihe. Gregor meinte nun, dazu müsse er mein Unterhöschen ausziehen, weil er sonst nicht richtig hinsehen könne. Ich war selbstverständlich damit einverstanden. Er war ein sehr guter Doktor und sehr behutsam. Mit einem kleinen Strohhalm kitzelte er mich nun von den Fußsohlen hoch bis zur Endstation zwischen den Beinen. Ich kicherte und dann legte er seine ganze Hand zwischen meine Beine und es war ein bisher noch nicht gekanntes schönes und sehr angenehmes Gefühl. Was es nicht alles für Gefühle und Empfindungen gibt, dachte ich damals schon, das war wirklich sehr aufregend, neu, unbekannt und sehr schön, – irgendwie!
Nun wollte ich aber auch bei Gregor Doktor spielen. Die Kopfuntersuchung sparte ich mir, ich kam direkt zur Hauptkrankheit, nämlich zu unten. Den Geschlechterunterschied kannte ich ja irgendwie schon, aber eben auf eine ganz andere Art. Ich hatte Mama und Papa auch schon zufällig nackt gesehen, wenn sie sich abends ausgezogen hatten, um ins Bett zu gehen. Aber das sah ganz anders aus als jetzt hier bei Gregor. Auch Gregor wollte mit einem Strohhalm gekitzelt werden und schmunzelte hochzufrieden. Er half mir bei der Untersuchung tatkräftig mit und zog selbst sein Unterhöschen aus. Bei ihm sah das alles noch so „richtig“ dazupassend und neu aus. Auch ich legte selbstverständlich meine Hand auf sein „Gebilde“ zwischen den Beinen. Das war ein sehr ulkiges Gefühl. Leider wurden wir, gerade, als es am schönsten war, gestört. Wir hörten nämlich von draußen die Stimme meiner Mutter, sie rief nach mir. In Blitzeseile zogen wir unsere Unterhöschen an, blieben aber noch oben bis die Stimme meiner Mutter sich entfernter anhörte. Wir kletterten die Holzleiter wieder hinunter und traten, beide hochzufrieden schmunzelnd, heraus, in den strahlenden Sonnentag.
Ich war  fünf Jahre alt und sehr zufrieden mit mir,  meinem Körper und Gregor, dem Superdoktor. Auch ich konnte ihm damals nur bestätigen, dass auch er keineswegs krank war. Jetzt weiß ich auch den wahren Sinn des Wortes
„unter“suchen zu deuten.
Ist es nicht ein sehr bedeutsames Wort?
Vielleicht hieß es ja ganz früher “unten suchen“.

Ein paar Jahre später wurde uns dann weisgemacht, dass das, was wir damals im Heuschober getan hatten, eine Sünde sei!

Zu jener Zeit dachte ich dann ganz betroffen:
Das kann doch nur jemand zur Sünde erklärt haben,
der niemals im Heuschober war und so ein herrliches
unschuldig grandioses Gefühl erlebt hat,
oder?  

 

 

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